Das Berufsfeld der Pflege unterliegt in den letzten Jahrzehnten einer stetigen Veränderung. Denn nicht nur der demographische Wandel führt zu einer Zunahme multimorbider und schwerstpflegebedürftiger Menschen, auch die Pflege von Menschen mit geistigen Behinderungen verändert sich. Während bis vor kurzem die Betreuung und Versorgung geistig behinderter Menschen ausschließlich Heilerziehungspfleger betraf, regen nun die komplexen Anforderungen an die Pflege und Begleitung auch andere Berufsfelder zum Umdenken und Handeln an.
Denn geistige Behinderungen stehen in direkter Wechselwirkung mit seelischen Beeinträchtigungen, körperlichen Erkrankungen oder sozialer Isolation. Daher benötigen Menschen mit geistiger Behinderung eine umfassende Unterstützung, damit sie mit ihrer Beeinträchtigung aktiv am Leben teilhaben können.
In der Praxis bedeutet das, dass Pflegekräfte die Planung, Ausführung, Reflexion und Evaluation der Pflege an den individuellen Hilfebedarf anpassen müssen, um eine komplexe und bedürfnisorientierte Versorgung der Menschen mit geistiger Behinderung sowie ihren Angehörigen und Bezugspersonen zu gewährleisten. Dafür ist es jedoch notwendig, dass Fachkräfte ihre Pflegekompetenzen und ihr Wissen erweitern.
Ambulante Pflegedienste leisten wertvolle Dienste auf diesem Gebiet, denn sie stellen Mitarbeiter zur Verfügung, welche Menschen mit geistiger Behinderung auf physischer, psychischer und geistiger Ebene begleiten, unterstützen und assistieren können. Um dieser Verantwortung aber gerecht zu werden, ist es sinnvoll, dass ambulante Pflegedienste in die Fortbildung ihrer Mitarbeiter investieren. Nur so erlangen die Fachkräfte ausreichend Fach-, Methoden-, Sozial- und Persönlichkeitskompetenz, damit sie die Pflege geistig behinderter Menschen qualitativ hochwertig und ressourcenorientiert planen, durchführen, reflektieren und evaluieren.
Der Zusammenhang zwischen Pflege und Behinderung
In Deutschland gibt es keine genaue Zahl, wie viele Menschen mit einer geistigen Behinderung leben. Meist wird die Gruppe der geistig Behinderten zahlenmäßig gemeinsam mit den seelisch Behinderten und den Suchterkrankten abgebildet. Diese Gruppe wird auf etwa 1,3 Millionen Menschen geschätzt – Tendenz steigend. Denn der demographische Wandel betrifft auch Menschen mit einer geistigen Behinderung.
Doch durch die Zunahme chronischer Erkrankungen und der Komorbidität mit anderen Beeinträchtigungen gewinnt die Versorgung geistig behinderter Menschen auch für Pflegekräfte immer mehr an Bedeutung.
Aber die Pflege geistig behinderter Menschen kann nicht mit der Pflege anderer Personengruppen verglichen werden. Zum einen fußt die Pflege von Menschen mit geistiger Behinderung auf pädagogischen und andragogischen Elementen, weil der kognitive Zugang begrenzt ist. Zum anderen stehen Menschen mit geistiger Behinderung deutlich weniger Bildungsangebote zur Verfügung, sodass der Pflegeprozess anderen Faktoren (Umwelt, Psyche, soziales Umfeld) unterworfen ist.
Menschen mit einer geistigen Behinderung zeigen einerseits Beschwerden, welche im Zusammenhang mit den angeborenen kognitiven Defiziten stehen und andererseits auch Störungen, welche auf den degenerativen Alterungsprozess zurückzuführen sind. Darüber hinaus tragen viele Menschen mit geistiger Behinderung, insbesondere Morbus Down, eine genetische Disposition für spezielle physische Dysfunktionen und Erkrankungen. Nicht zuletzt nehmen Krankheiten bei geistig behinderten Menschen auch deshalb andere Verläufe, weil Kommunikationsprobleme, oppositionelles Verhalten oder andere Besonderheiten die Diagnostik oder Therapie erschweren.
All diese Faktoren können überlagernd auftreten und die Pflege zu einer Herausforderung machen. Die Aufgabe besteht darin, geistig behinderten Menschen sowohl die Unterstützung und Hilfe zu geben, welche sie für Wohlbefinden benötigen als auch präventiv zu agieren und weitere Krankheiten oder Störungen zu vermeiden.
Die Pflege geistig behinderter Menschen
Die Chancen zu sozialer Teilhabe und zur Gesundheitsversorgung sind in der Bevölkerung ungleich verteilt. Keine andere Personengruppe ist so deutlich von einer Benachteiligung betroffen wie Menschen mit geistigen Behinderungen. Die häufigsten Gründe sind mangelnde Expertise vonseiten der Fachkräfte, kommunikative Defizite vonseiten der geistig behinderten Menschen und strukturelle Faktoren (Personalmangel, Zeitmangel). Darüber hinaus gelten auch der geringe soziale Status und die hohen Kosten als Faktoren, die eine adäquate gesundheitliche Versorgung und die Teilhabe am sozialen Leben verhindern.
Doch besonders Pflegekräfte können dazu beitragen, die Lebensqualität geistig behinderter Menschen zu verbessern und die soziale Teilhabe zu fördern. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf folgenden Punkten:
Einstellung zu Menschen mit geistiger Behinderung
Der Umgang mit geistig behinderten Menschen erfordert neben einer fachlichen Expertise auch ein hohes Maß an Feingefühl. Dieses wiederum entspringt einer positiven Einstellung. Wenn Pflegekräfte den schmalen Grat zwischen Normalität und Sensibilität gehen können, dann zeigen sie Wertschätzung und Respekt für den Menschen – unabhängig von der geistigen Leistungsfähigkeit.
Haltung zu geistiger Behinderung
Vielen Menschen mit einer geistigen Behinderung bleibt die Erfahrung des „in-Ordnung-seins“ zu großen Teilen verwehrt. Das gilt es zu durchbrechen. Denn Menschen mit einer geistigen Behinderung haben die gleiche Daseinsberechtigung und dieselben Rechte wie alle anderen Menschen. Wenn Pflegekräfte diese Grundhaltung zeigen, erfahren Menschen mit einer geistigen Behinderung Sicherheit und Verlässlichkeit – eine Grundlage für professionelle Pflege.
Fachwissen
Das Wissen um verschiedene Formen der geistigen Behinderung, den damit verbundenen Beeinträchtigungen sowie den Therapiemöglichkeiten und Unterstützungsformen ist obligat. Nur so ist es möglich, dass Pflegekräfte in Zusammenarbeit mit anderen Experten ein multimodales Konzept zur Betreuung, Pflege und Versorgung geistig behinderter Menschen erstellen.
Handlungskompetenz
Die Versorgung geistig behinderter Menschen umfasst weit mehr als nur die Pflege und hauswirtschaftliche Tätigkeiten. Denn auch die psychosoziale Betreuung sowie die Unterstützung bei der sozialen Teilhabe sind wichtige Kernelemente. Je nach Art und Grad der Behinderung sieht die Versorgung deshalb unterschiedlich aus. Aufgabe der Pflegekräfte ist es, in Abstimmung mit den Patienten und ihren Angehörigen und/oder Bezugspersonen eine individuelle Versorgung zu planen, durchzuführen, zu reflektieren und zu evaluieren.
Interpretationskompetenz
Geistig behinderte Menschen haben oftmals ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes Defizit in der Kommunikation. Infolgedessen kommt es zu Missverständnissen, Fehlinterpretationen oder mangelnder Compliance. Das wiederum kann den Gesundheitszustand geistig behinderter Menschen verschlechtern. Aus diesem Grund sollten Pflegekräfte sich mit einem umfangreichen Repertoire an Kommunikationsmitteln ausrüsten. Dadurch lassen sich beispielsweise Stimmung, Schmerzen, Bedürfnisse oder Ängste ermitteln – die Grundlage für eine professionelle Pflege.
Barrierefreiheit
Viele Menschen mit einer geistigen Behinderung leiden zudem auch an motorischen Defiziten, Orientierungsstörungen oder emotionaler Instabilität. Deshalb ist es wichtig, dass sich Pflegekräfte bewusst machen, die Umgebung möglichst barrierefrei zu gestalten und auch selbst ruhig zu agieren. Durch verschiedene Alternativen kann dann Menschen mit geistiger Behinderung zu mehr Lebensqualität und Teilhabe verholfen werden.
Die Bedeutung der ambulanten Versorgung für geistig behinderte Menschen
Während pflegebedürftige Menschen, die sich zu Hause versorgen lassen, zwischen 332 und 947 Euro Pflegegeld monatlich erhalten, ist dies bei geistig behinderten Menschen anders geregelt. Leben diese in einer speziellen Wohneinrichtung, erhalten sie lediglich eine monatliche Pauschale von 266 Euro, obwohl sie ebenso Beiträge zur Pflegeversicherung zahlen. Diese Summe entspricht bei Weitem nicht den tatsächlichen Pflegekosten, sodass Menschen mit einer geistigen Behinderung weniger Möglichkeiten zur Gesundheitsversorgung und zur sozialen Teilhabe zur Verfügung stehen.
Um dieses Defizit zu umgehen, werden mittlerweile immer mehr Menschen mit einer geistigen Behinderung zu Hause von ambulanten Pflegediensten versorgt. Dadurch ist es möglich, die Leistungen der Pflegeversicherung bei einem Pflegegrad vollständig zu nutzen. Menschen mit einer geistigen Behinderung profitieren so in vielfacher Weise.
Welchen Pflegegrad erhalten geistig behinderte Menschen?
Grundsätzlich muss eine geistige Behinderung nicht automatisch mit einem Pflegegrad einhergehen. Doch in vielen Fällen liegt aufgrund der kognitiven Einschränkungen auch eine geringere Selbständigkeit vor, sodass Menschen mit geistigen Behinderungen auch pflegebedürftig sind. Dann wird ihnen ein Pflegegrad zuerkannt. Dieser geht mit verschiedenen Leistungen aus der Pflegekasse einher und ermöglicht den Betroffenen beispielsweise Betreuung und Begleitung in der Freizeit, Unterstützung bei der Körperpflege oder Versorgung bei Inkontinenz.
Theorie-Praxis-Transfer
Die Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung ist ein relativ neues Aufgabengebiet der Pflege, weil bisher Heilerziehungspfleger die Tätigkeiten übernommen haben. Doch aufgrund der zunehmenden Komplexität gewinnt die Betreuung, Versorgung und Pflege geistig behinderter Menschen immer mehr an Bedeutung für Pflegekräfte. Um den Anforderungen gewachsen zu sein, ist es wichtig, sich mithilfe eines Fort- oder Weiterbildungsangebotes neues Fachwissen und diverse Kompetenzen anzueignen. Dadurch ist es möglich, qualitativ hochwertige Pflege zu garantieren und einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsversorgung und Teilhabe geistig behinderter Menschen zu leisten.
Fazit
Die Pflege von Menschen mit geistigen Behinderungen nimmt einen immer größeren Stellenwert in der professionellen Pflege ein, bedarf aber auch ein großes Spektrum an abverlangten Leistungen und Know-how. Ausgebildete Fachkräfte übernehmen je nach Bedarf die Grundpflege, unterstützen bei Behördengängen, leiten zu Freizeitaktivitäten an oder helfen bei der Medikamenteneinnahme oder Rezeptbesorgungen.
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